Affektiertheit bezeichnet ein Verhalten, das häufig als unnatürlich oder inszeniert wahrgenommen wird. Es zeigt sich in einer übertriebenen Ausdrucksweise, die stark von Emotionen beeinflusst ist, jedoch als nicht authentisch gilt. Der Begriff leitet sich vom lateinischen ‚afficere‘ ab, was so viel wie ‚beeinflussen‘ bedeutet, und bezieht sich auf die gezielte Steuerung von Verhalten und Sprache, um damit eine gewisse Angeberei zur Schau zu stellen. Affektiertheit findet sich häufig in der Sprache, dem Verhalten oder sogar dem Akzent einer Person und hängt eng mit dem Begriff Tendre zusammen, der im 17. und 18. Jahrhundert ein stark gefühltes, jedoch oft übertriebenes Empfinden beschrieb. Durch die Überbetonung bestimmter Emotionen wird der Versuch sichtbar, einen bestimmten Eindruck zu vermitteln, der nicht immer mit den eigenen inneren Gefühlen übereinstimmt. Diese Diskrepanz zwischen äußerem Ausdruck und innerem Empfinden führt häufig zu einer kritischen Evaluierung der Authentizität solcher Darstellungen.
Die Bedeutung von Affektiertheit im 19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert nahm Affektiertheit eine zentrale Rolle in der Gesellschaft ein, indem sie als Ausdruck von sozialem Status und Bildung galt. Die Pretiosität und Preziosität im Benehmen, einschließlich gezierten Verhaltens, wurden oft als Zeichen von Anstand und Eleganz angesehen. Diese gekünstelte Form der Kommunikation manifestierte sich in übertriebenen Mimik und Gestik, die oft als modische Kinkerlitzchen abgetan wurden. Solche Ausdrucksformen waren nicht nur eine Kunst des Verhaltens, sondern auch eine Möglichkeit, die eigene Gemütsbewegung zu inszenieren und den Affectus zu zeigen. Die gesellschaftliche Erwartung, stets einen gefassten, aber gleichzeitig affektierten Eindruck zu hinterlassen, führte dazu, dass Individuen oft ein Verhalten an den Tag legten, das wenig mit ihren tatsächlichen Empfindungen zu tun hatte. Statt authentischer Reaktionen dominierte ein kunstvolles Spiel von Schein und Sein, das die Grenze zwischen echtem Gefühl und affektiertem Benehmen verwischte. Diese Epoche hinterließ somit ein ambivalentes Erbe: Einerseits wurde das Streben nach Höflichkeit und Anstand geschätzt, andererseits hinterfragten Intellektuelle die Echtheit menschlichen Gefühls unter dem Einfluss von öffentlich gültigen Normen.
Affekt vs. Affektiertheit: Ein Vergleich
Der Unterschied zwischen Affekt und Affektiertheit ist entscheidend für das Verständnis von emotionalem Verhalten. Affekte sind spontane Gemütserregungen, die durch innere psychische Vorgänge und äußere Anlässe hervorgerufen werden. Sie spiegeln unmittelbare Gefühle wider, sei es Freude, Trauer oder Scham, und manifestieren sich oft in unkontrolliertem Benehmen. Affektiertheit hingegen beschreibt ein übertriebenes und oft künstliches Verhalten, das darauf abzielt, bestimmte Emotionen zu zeigen oder zu verstärken, ohne dass diese tatsächlich empfunden werden. Dieser Gegensatz zeigt sich besonders in der Manieriertheit, bei der ein Individuum übertriebene Gesten und Ausdrucksformen anwendet, um seine Einstellung oder Empfindungen darzustellen. Während ein Affekt unverfälscht und ehrlich ist, erscheint Affektiertheit oft als eine Art von Schauspiel, das Emotionen imitiert, ohne sie wirklich zu empfinden. Solche Übertreibungen können bei anderen den Eindruck erwecken, dass das Verhalten nicht authentisch ist, was die Wahrnehmung des Affekts weiter beeinflusst.
Synonyme und sprachliche Verwendung von Affektiertheit
Die sprachliche Verwendung des Begriffs Affektiertheit ist eng verknüpft mit der Etymologie und der Entwicklung von Gemütsbewegungen im Deutschen. Affektiertheit bezeichnet ein Verhalten oder Benehmen, das als übertrieben, kunstvoll oder unecht wahrgenommen wird. Diese Handlung oder Äußerung resultiert oft aus einer inneren Angespanntheit oder Erregung, die mehr Schein als Sein vermittelt. Synonyme wie Pretiosität oder Preziosität heben den Aspekt der Übertreibung und der künstlichen Raffinesse hervor. In der Duden-Definition wird ebenfalls auf die Vorstellung von Affigkeit und Allüren hingewiesen, die das Wesen des affektierten Verhaltens prägen. Die Differenzierung zwischen Affekt und Affektiertheit ist entscheidend, da Erstgenannter oft eine authentische Emotion beschreibt, während Letzterer in der Regel auf eine maskierte oder inszenierte Erregung hinweist. Das Verständnis dieser Begriffe ist nicht nur für Linguisten von Bedeutung, sondern auch für den allgemeinen Sprachgebrauch, da sie Einblicke in die soziale Interaktion und kulturelle Normen geben. Ein tiefergehendes Verständnis von Affektiertheit und ihrer Varianten ermöglicht es, sowohl literarische als auch alltägliche Äußerungen besser einzuordnen und zu interpretieren.
